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BOSTON, MASSACHUSETTS

 

Heiße Luft drang aus den Lüftungsschlitzen am Armaturenbrett des Range Rover, als Brock die Temperatur weiter aufdrehte.

„Scheiße, ist das kalt heute Nacht.“ Der riesige Mann aus Detroit hielt sich die Hände vor den Mund und hauchte sich in die Handflächen. „Ich hasse den Winter, Mann. Das reinste Sibirien da draußen.“

„Das hier? Sibirien? Du hast ja keine Ahnung“, antwortete Kade hinter dem Steuer des geparkten Geländewagens, den Blick auf die alte Sandsteinvilla gerichtet, die sie schon ein paar Stunden überwachten. Selbst in der Dunkelheit nach Mitternacht und mit einer frischen Schneedecke, die alles mit jungfräulichem Weiß kaschierte, sah das Haus von außen völlig heruntergekommen aus. Nicht dass das irgendwas ausmachte. Was immer da drin vertickt wurde - Drogen, Sex oder eine Kombination von beidem -, brachte einen stetigen Kundenstrom an die Tür. Kade sah zu, als drei Verbindungsstudenten in den Farben ihrer Universität mit ein paar vermummten jungen Frauen aus einer Rostlaube von Impala stiegen und hineingingen.

„Wenn das hier Sibirien wäre“, sagte Kade, sobald auf der Straße wieder alles ruhig war, „würden unsere Eier klingeln wie Schlittenglöckchen, und wir würden Eiswürfel pissen. Boston im November sind die Tropen, Mann.“

„Sagt der Vampir, der auf einem verdammten Gletscher in Alaska auf die Welt kam“, brummte Brock kopfschüttelnd und rieb seine dunklen Hände vor den Lüftungsschlitzen. „Was denkst du, wie lange wir noch hier draußen warten müssen, bis unser Mann endlich seine hässliche Fresse zeigt? Ich muss mich bewegen, sonst friert mir noch der Arsch am Sitz fest.“

Kades Kichern war eher ein Grunzlaut, er war genauso ungeduldig wie sein Partner auf dieser nächtlichen Patrouille in der Stadt. Es waren nicht die Menschen, die Brock und ihn zu dieser Adresse in einer der übelsten Gegenden von Boston geführt hatten, sondern der Mann, der angeblich hinter den illegalen Aktivitäten stand. Und wenn ihre Informationen sich als zutreffend erwiesen - dass der Vampir, der diesen Schuppen führte, auch mit anderer verbotener Ware handelte -, dann würde diese Nacht für ihn ein sehr unangenehmes, wahrscheinlich blutiges Ende finden.

Kade konnte es kaum erwarten.

„Da kommt er“, sagte er und sah zu, wie ein paar Autoscheinwerfer um die Ecke glitten und ein schwarzer Mercedes mit vergoldeten Stoßstangen und Felgen langsam am Bordstein ausrollte.

„Himmel, Arsch und Zwirn.“ Brock zog eine Grimasse, als das Spektakel andauerte.

Aus der Limousine wummerte Musik, die rhythmischen Bässe und aggressiven Texte wurden zu einem ohrenbetäubenden Vibrieren, als der Fahrer aus dem Wagen stieg und um ihn herumging, um die hintere Tür zu öffnen. Ein Paar angeleinte weiße Pitbulls waren die Ersten, die aus dem Wagen kletterten, gefolgt von ihrem Herrn, einem hochgewachsenen schwarzen Stammesvampir, der sich alle Mühe gab, die fiese Gangstertype zu markieren, obwohl er in einen langen Fuchspelzmantel gehüllt war und eine ziemliche Wampe vor sich hertrug.

„Vergiss den Scheiß, den Gideon über dieses Arschloch ausgegraben hat“, sagte Kade. „Der gehört allein schon dafür abgeknallt, wie er in der Öffentlichkeit rumläuft.“

Brock grinste und zeigte die Spitzen seiner Fänge. „Das können wir schon alleine deswegen tun, weil wir uns wegen ihm die Nüsse tiefgekühlt haben.“

Am Bordstein riss der Vampir kurz und heftig an den nietenbesetzten Lederleinen, als die Hunde wagten, ihm einen Schritt voranzugehen. Auf dem Weg zum Eingang der Sandsteinvilla versetzte er dem Hund, der ihm am nächsten war, einen Tritt und kicherte, als das Tier vor Schmerz ein schrilles Winseln ausstieß. Als er, sein Fahrer und seine beiden Höllenhunde in dem Gebäude verschwunden waren, zog Kade den Zündschlüssel des Rover ab und öffnete die Fahrertür.

„Na, dann wollen wir mal“, meinte er. „Suchen wir uns einen Eingang an der Rückseite, solange unser Junge noch seinen großen Auftritt hat.“

Sie gingen um das Haus herum und fanden an der Rückseite ein halb von Schnee und Straßenmüll verdecktes Kellerfenster. Kade ging in die Hocke und fegte das Eis und den festgefrorenen Müll beiseite, dann hob er die Scheibe an, die nur an einem Scharnier hing, und spähte in den dunklen Raum. Es war ein gemauerter Keller, zugemüllt mit vergammelten Matratzen, gebrauchten Kondomen und Einwegspritzen, und der Gestank nach Pisse, Erbrochenem und anderen Körperflüssigkeiten attackierte Kades geschärfte Sinne wie ein Vorschlaghammer einen Schädel.

„Herr im Himmel“, zischte er und bleckte die Lippen von Zähnen und Fängen.

„Seine Putzfrau ist so was von gefeuert.“

Er schlüpfte hinein und landete geräuschlos auf dem Betonboden. Brock folgte ihm, der über hundertdreißig Kilo schwere, bis an die Zähne bewaffnete Vampir landete so leise neben ihm wie eine Katze. Kade zeigte vorbei an dem widerlichen Durch einander auf dem Boden zu einer in pechschwarze Finsternis gehüllten Ecke des Raumes, wo ein kurzes Stück Kette und ein Paar Fußfesseln lagen und daneben ein abgerissener Streifen silbernes Isolierband, an dem einige lange blonde Haarsträhnen klebten.

Brock und Kade sahen einander im Dunkeln finster an. „Frauenhändler“, knurrte Brock.

Kade nickte grimmig, ihm war ganz elend. Es war nur allzu klar, was in diesem feuchten dunklen Kellergefängnis getrieben wurde. Er wollte gerade auf die Treppe zugehen und dem Typen oben die Party verderben, als Brocks leiser Fluch ihn innehalten ließ.

„Wir sind nicht alleine, Mann.“ Brock zeigte auf eine verriegelte Tür, von der Dunkelheit und vom rostigen Skelett einer Matratzenfeder, die zu ordentlich an ihr lehnte, fast verdeckt. „Da sind Menschen“, sagte er. „Frauen. Gleich hinter dieser Tür.“

Jetzt hörte auch Kade das leise, gebrochene Atmen und spürte die Unterströmung von Schmerz und Qualen in der abgestandenen Luft. Er schlich mit Brock in die dunkle Ecke des Kellers, sie stießen das alte Matratzengestell beiseite, dann hob Kade die dicke Metallstange, mit der die Tür von außen verriegelt war.

„Hölle noch mal“, flüsterte Brock in die Dunkelheit. Er trat in den kleinen Raum, wo drei junge Frauen sich zitternd und völlig verängstigt in der Ecke zusammendrängten. Als eine von ihnen zu schreien begann, bewegte Brock sich schneller, als die mit Drogen betäubten Frauen wahrnehmen konnten. Er bückte sich, strich mit der Hand über die Stirn der jungen Frau und versetzte sie mit seiner Berührung in Trance. „Ist schon gut. Ihr seid jetzt in Sicherheit.

Wir tun euch nichts.“

„Wurden sie gebissen?“, fragte Kade und sah zu, wie Brock die beiden anderen Gefangenen auf dieselbe Weise beruhigte.

„Sie wurden erst vor Kurzem geschlagen, da sind Blutergüsse und Abschürfungen. Aber keine Bisswunden. Und auch kein Mal“, fügte er hinzu, nachdem er eine schnelle Überprüfung ihrer nackten Glieder vorgenommen hatte, auf der Suche nach dem Muttermal in Form einer Träne, die in eine Mondsichel fiel, das die genetisch außergewöhnlichen Frauen von ihren normalsterblichen Schwestern unterschied. Brock legte sanft den blassen Arm ab, den er hielt, dann stand er auf. „Wenigstens sind die drei keine Stammesgefährtinnen.“

Nur ein kleiner Trost, und das konnte den Vampirabschaum auch nicht entlasten, der ein Geschäft daraus gemacht hatte, Frauen zu entführen und an den höchsten Bieter zu verkaufen.

„Gib mir eine Minute, ich lösche ihre Erinnerungen und bring sie sicher hier raus“, sagte Brock. „Dann komme ich sofort nach.“

Kade nickte ihm knapp zu und ließ seine Fangzähne blitzen. „Ich geh schon mal auf ein kleines Schwätzchen mit unserem Homeboy rauf.“

Seine Aggression brannte ihm wie Säure in den Adern, als Kade die Treppe hinauf ins lärmerfüllte Erdgeschoss des Gebäudes schlich und an der Orgie vorbeiging, die dort unter einer Marihuanawolke, dahinfließender elektronischer Musik und rhythmisch blitzenden Stroboskoplichtem stattfand.

In einem Arbeitszimmer am hinteren Ende der Halle hörte er das Arschloch reden, das er suchte.

„Hol mir das Mädchen her, das eben mit diesen Uniwichsern kam - nein, nicht die Blonde, die andere. Wenn das eine echte Rothaarige ist, ist sie doppelt so viel wert.“

Kade blieb stehen und grinste, als Homeboys Muskelprotz von Fahrer-Schrägstrich-Bodyguard aus dem Büro kam und ihn in der Halle stehen sah.

Der Mann war auch ein Stammesvampir, und seine Augen blitzten bernsteinfarben auf, als er die Gefahr vor sich erblickte.

„Schsch“, sagte Kade liebenswürdig, einen Dolch schon zum Wurf gezückt.

Als der Fahrer nach seiner Waffe griff, ließ er die Klinge fliegen und traf den riesenhaften Vampir mitten in die Kehle. Der massige Körper sackte vornüber auf den Boden, und als der schwere Rums die lärmende Musik und das Gestöhne aus der Halle übertönte, ging Kade um die Leiche herum und blockierte die offene Bürotür.

Die beiden weißen Pitbulls sprangen ihn schneller an, als ihr Gebieter in dem lächerlichen Pelzmantel reagieren konnte. Knurrend und schnappend griffen die Hunde Kade an. Er wich nicht zurück, das war auch nicht nötig. Er fing ihre wilden Augen in einem unverwandten, befehlenden Blick und brachte sie auf dem Teppichboden vor seinen Stiefeln abrupt zum Stehen.

Zusätzlich zu der Langlebigkeit, der Kraft und dem Blutdurst, die für ihre Spezies so charakteristisch waren, besaßen alle Stammesvampire von Geburt an ihre individuellen Talente oder - in einigen Fällen - Flüche. Kades spezielle Gabe war die Fähigkeit, telepathischen Kontakt zu Raubtieren herzustellen und sie mit bloßer Willenskraft zu lenken - eine Kraft, die er zu tödlicher Präzision perfektioniert hatte, als er ein kleiner Junge in der eisigen Wildnis von Alaska gewesen war, wo er mit viel gefährlicheren Tieren als diesen hier umgeben war.

„Platz“, sagte er ruhig zu den Hunden, dann sah er zu dem Stammesvampir auf, der ihn von der anderen Seite des kleinen Raumes mit offenem Mund anstarrte. „Das gilt auch für dich.“

„Was zum ... wer zur Hölle bist du?“ Panik und Entrüstung gruben tiefe Falten um den Mund des Vampirs, als er Kades Erscheinung in sich aufnahm, von den schwarzen Drillichhosen und Kampfstiefeln in derselben Farbe wie sein stacheliger dunkler Haarschopf bis zu dem beeindruckenden Arsenal von Klingen und halb automatischen Pistolen in Gürtel- und Oberschenkelholstern. „Krieger“, hauchte der Mann. Offensichtlich war er nicht so arrogant oder dumm, wegen dieses unangekündigten Besuchs keine Angst zu haben.

„Was mag der Orden bloß von mir wollen?“

„Informationen“, erwiderte Kade. Er trat einen Schritt in den Raum und schloss die Tür hinter sich, dann blieb er stehen und kraulte einen der Pitbulls, die jetzt völlig gefügig waren, hinter dem Ohr. „Was man so über dein Business hört, gefällt uns gar nicht. Wir müssen mehr wissen.“

Der Vampir hob die Schultern in einem wenig überzeugenden Versuch, verwirrt zu wirken. „Was gibt's da schon zu sagen? Ich habe alle möglichen Geschäfte laufen.“

„Hab ich bemerkt. Nettes kleines Unternehmen hast du da unten im Keller.

Wie lange bist du schon im Frauenhandel?“

„Keine Ahnung, wovon du redest.“

„Weißt du, ich wiederhole mich nicht gern.“ Kade kauerte sich hin und machte den beiden Pitbulls ein Zeichen, zu ihm zu kommen. Sie saßen ihm zu Füßen wie gedrungene Wasserspeier, starrten ihren ehemaligen Gebieter an und warteten gehorsam auf Kades Kommando zum Angriff, einfach weil er es so wollte. „Ich wette, diese Hunde hier muss ich nicht zweimal bitten, dir die Kehle rauszureißen. Was denkst du? Wollen wir's herausfinden?“

Homeboy schluckte schwer. „N-noch nicht lange. Ein knappes Jahr. Hab angefangen mit Drogen und Nutten, und dann kamen spezielle...

Kundenanfragen rein.“ Er spielte mit einem der vielen Goldringe herum, die an seinen Fingern glänzten. „Du weißt schon, Anfragen nach regelmäßiger Belieferung.“

„Und deine Kunden?“, drängte Kade und erhob sich zu seiner vollen Größe von eins fünfundneunzig. „Wer sind sie?“

„Menschen vor allem. Aber ich hab's nicht so mit Kundenregistern.“

„Aber du belieferst“ - Kade zischte das Wort durch die Fänge -“auch Angehörige des Stammes.“

Es war keine Frage, und Homeboy wusste es. Wieder zuckte er die Achseln, und der Kragen seines Fuchspelzmantels streifte den Brillanten in seinem Ohrläppchen. „Das ist hier ein Bargeschäft, einfach eine Sache von Angebot und Nachfrage. Stammesvampire oder Menschen, das Geld ist das Gleiche.“

„Und die Geschäfte laufen gut“, riet Kade.

„Geht so. Warum ist der Orden so interessiert daran, was ich mache? Wollt ihr etwa auch mit einsteigen?“, fragte er mit einem schleimigen Lächeln. „Ich könnte Lucan Prozente geben, wenn es das ist, worum es hier geht. Schließlich bin ich Geschäftsmann.“

„Abschaum bist du“, sagte Kade, erbost, aber nicht überrascht, dass einer, der sich am Unglück von anderen bereicherte, ihn oder seine Ordensbrüder für käuflich hielt. „Und wenn ich Lucan erzähle, dass du das gesagt hast, schlitzt er dich auf vom Kinn bis zu den Eiern. Weißt du was? Die Arbeit nehme ich ihm ab ...“

„Warte!“ Homeboy riss die Hände hoch. „Warte. Sag mir, was du wissen willst.“

„Okay. Fangen wir mal hiermit an: Wie viele von den Frauen, die du da unten im Keller eingesperrt und verkauft hast, waren Stammesgefährtinnen?“

Ein widerwärtiges Schweigen breitete sich aus, während der Vampir über die beste Antwort nachdachte. Sogar dieses wertlose Stück Scheiße musste wissen, dass die seltenen Frauen, die das Mal der Stammesgefährtinnen trugen, vom ganzen Stamm in Ehren gehalten wurden, weil sie ihm kostbar waren. Eine Stammesgefährtin zu schädigen hieß, das ganze Vampirvolk in Gefahr zu bringen, denn es gab auf diesem Planeten keine anderen Frauen, die die Kinder des Stammes austragen konnten. Wissentlich aus dem Leiden einer Stammesgefährtin Gewinn zu schlagen oder sonst in irgendeiner Weise von ihrem Tod zu profitieren war in etwa das Abscheulichste, was ein Angehöriger von Kades Spezies tun konnte.

Er beobachtete den anderen Vampir wie ein unter Glas gefangenes Insekt - so viel war sein Leben ihm in etwa auch wert.

„Wie viele, du widerliches Stück Scheiße? Mehr als eine? Ein Dutzend?

Zwanzig?“ Er musste sich anstrengen, sich ein wütendes Fauchen zu verkneifen. „Hast du sie unwissentlich verkauft oder es sogar bewusst getan, weil Stammesgefährtinnen dir größeren Profit bringen? Ich hab dich was gefragt, verdammt noch mal!“

Bei Kades Ausbruch erhoben sich die beiden Pitbulls mit einem drohenden Knurren, die kompakten Muskeln straff gespannt. Die Hunde waren genauso mit Kade verbunden wie er mit ihnen, sie spürten seine Wut. Er hielt die Hunde nur mit seinem allerletzten Rest Selbstbeherrschung zurück. Wenn der Vampir, der sich da vor ihm duckte, wichtige Informationen hatte, war es seine Pflicht, ihn zum Reden zu bringen.

Dann konnte er ihn mit reinem Gewissen töten.

„Wem hast du Stammesgefährtinnen verkauft? Antworte, verdammt noch mal.

Ich warte nicht die ganze Nacht.“

„I-ich weiß nicht“, stammelte er. „Das ist die Wahrheit. Ich weiß es wirklich nicht.“

„Aber du gibst zu, dass du es getan hast.“ Gott, er hätte dieses Stück Scheiße am liebsten abgeknallt. „Sag mir, wen du mit menschlicher Ware beliefert hast, bevor ich dir deine hässliche Fresse abreiße.“

„Ich schwöre - ich weiß nicht, wer sie bestellt hat!“

Doch damit gab Kade sich nicht zufrieden. „War es mehr als einer, der die Frauen bei dir abholen kam? Sagt dir der Name Dragos etwas?“

Kade beobachtete ihn mit schmalen Augen, wartete darauf, dass der Vampir den Köder schluckte. Aber der Name, den Kade hatte fallen lassen, rief keine besondere Reaktion hervor.

Jeder, der schon mit dem Stammesältesten zu tun gehabt hatte, der unter dem Namen Dragos bekannt war - ein Schuft, dessen üble Machenschaften der Orden erst vor Kurzem aufgedeckt hatte -, würde sicher irgendwie reagieren, wenn sein Name fiel.

Aber offenbar hatte Homeboy wirklich keine Ahnung. Er stieß einen Seufzer aus und schüttelte leicht den Kopf. „Ich hatte nur mit einem Typen zu tun. Er war nicht vom Stamm. Aber ein Mensch war der auch nicht mehr. Zumindest nicht, als er zu mir kam.“

„Ein Lakai?“

Das waren allerdings beunruhigende Neuigkeiten. Obwohl es gegen die Stammesgesetze verstieß, Lakaien zu erschaffen - von der Moral ganz zu schweigen - konnten nur die mächtigsten Angehörigen des Stammes sich menschliche Geistsklaven erschaffen. Ausgesaugt bis fast an die Schwelle des Todes, waren Lakaien einzig ihrem Gebieter gegenüber loyal. Dragos war ein Stammesvampir der Zweiten Generation und dachte, dass er über dem Gesetz stand, dem des Stammes und dem der Menschen sowieso. Die Frage war nicht, ob Dragos sich Lakaien hielt, sondern vielmehr, wie viele und wie tief er sie schon in die menschliche Gesellschaft eingeschleust hatte.

„Würdest du diesen Lakai wiedererkennen?“

Der um den Hals des Vampirs geschlungene Tierkadaver hob sich in einem erneuten Schulterzucken. „Ich weiß nicht. Vielleicht. Er war schon lange nicht mehr da, drei oder vier Monate. Eine Weile war er einer meiner besten Stammkunden, dann hat er sich nicht mehr blicken lassen.“

„Mir kommen die Tränen“, meinte Kade gedehnt. „Beschreib ihn mir. Wie hat der Lakai ausgesehen?“

„Ehrlich gesagt hab ich ihn nie genau gesehen. Hab's auch nie versucht. Ich konnte sehen, dass er ein Lakai war, und bezahlt hat er in großen Scheinen.

Mehr musste ich nicht über ihn wissen.“

Kades Venen spannten sich vor Feindseligkeit und nur mühsam beherrschter Wut. Er hatte schon aus nichtigeren Anlässen getötet und verspürte den heftigen Drang, diesen Abschaum zu zerreißen. „Du willst mir also sagen, dass du ihm wiederholt hilflose junge Frauen verkauft hast, die zu zugedröhnt waren, um sich zu wehren, mit null Rücksicht darauf, was er ihnen antun würde oder wo sie landen würden. Ohne Fragen zu stellen. Sehe ich das richtig?“

„Ich schätze, ich führe meinen Laden auf der Basis Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“

„Ach, was du nicht sagst“, meinte Kade. „Man könnte auch sagen, dass du deinen Laden führst wie ein feiger Arschkriecher und dass du einen langsamen und schmerzhaften Tod verdient hast.“

Beißender Angstgeruch breitete sich im Zimmer aus, als der Vampir Kades starrendem Blick standhielt. „Jetzt warte doch mal 'ne Minute. Lass mich noch mal nachdenken, ja? Vielleicht fällt mir ja doch noch was ein. Vielleicht kann ich euch irgendwie helf...“

„Glaube kaum.“ Kade musterte ihn und sah an seinem panischen Blick, dass er nichts Nützliches mehr aus ihm herausbekommen würde.

Und außerdem hatte er es satt, dieses Arschloch anzuschauen.

Er bückte sich und hob die Schnauzen der Hunde mit den Handflächen, sah in die aufmerksamen braunen Augen des einen, dann des anderen. Die Pitbulls nahmen den stummen Befehl mit einem schwachen Zucken der Sehnen auf.

Sie sprangen auf den Tisch, setzten sich vor ihren ehemaligen Herrn, nahmen ihn starr ins Visier und rissen die sabbernden Mäuler mit den scharfen Zähnen auf.

„Brav“, sagte Kade und drehte sich schwungvoll um, um zu gehen.

„Warte, also ... das war alles?“, fragte Homeboy zögernd hinter dem Paar geifernder Wasserspeier, die nun geduckt vor ihm saßen. „Ich will sichergehen, dass mit uns alles im grünen Bereich ist, Mann. Ich meine, ich hab dir alles gesagt, was ich weiß. Und das ist schließlich alles, was du von mir willst, nicht?“

„So ziemlich“, sagte Kade, ohne auf den Menschenhändler zurückzuschauen, und legte die Hand auf den Türknauf. „Aber noch nicht alles.“

Als er aus dem Büro ging und die Tür hinter sich zuzog, hörte er die beiden Pitbulls angreifen. Da blieb Kade stehen, schloss die Augen und gönnte sich durch seine intuitive Verbindung zu den Tieren diesen Augenblick der Gewalt.

Er spürte jeden krachenden Knochen, jeden Riss im Fleisch des Menschenhändlers, als seine Hunde ihn zerfleischten. Der Vampir im Büro schrie und heulte vor Schmerz, eine angenehme Abwechslung zu der Musik und dem Stöhnen, das immer noch aus dem anderen Teil des Hauses drang.

Als Kade um den toten Fahrer herumging, kam Brock zügig die Halle hinauf.

„Hast du dich um die Frauen gekümmert?“, fragte er, als er und sein Partner sich auf halber Strecke trafen.

„Ich hab ihre Erinnerungen an ihre ganze Gefangenschaft gelöscht und sie heimgeschickt“, sagte Brock. Mit kaum einem Seitenblick auf die Leiche hob der riesenhafte Mann die Augenbraue. „Und du? Hast du was aus Homeboy rausgekriegt?“

„Dass er irgendwie kein Händchen für Hunde hat“, sagte Kade über die Schreie hinweg, die immer noch aus dem Büro drangen.

Brocks Mundwinkel zuckten. „Sonst irgendwas?“

„Ja, leider. Unsere Infos waren richtig, das Arschloch hat Stammesgefährtinnen verkauft. Sein Kunde war ein Lakai, aber mehr wusste er nicht. Hat den Geistsklaven nie aus der Nähe gesehen und konnte ihn nicht beschreiben.“

„Scheiße“, sagte Brock und fuhr sich mit der großen Hand über den Kopf. „Ich schätze, unser Homeboy war eine tote Spur, oder?“

Kade legte den Kopf schief, als das Geschrei hinter ihm plötzlich abbrach. „Das ist er jetzt.“

Brock lächelte betrübt. „Dann räumen wir hier mal auf und machen den Laden dicht. Eben kam eine SMS von Gideon, wir sollen durchrufen, sobald wir können. Irgendwas mit einem Problem oben im Norden.“

„Des Staates?“

„Nein, Mann. Noch weiter.“ Brock sah ihn unbehaglich lange an.

„Anscheinend ist oben in Alaska was passiert. Er sagte nicht, was genau, nur dass Lucan will, dass du dich schleunigst im Hauptquartier meldest.“

Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
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